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Was erlauben Haldenwang?

Wie ein Behördenleiter das Grundgesetz auf den Kopf stellt

Thomas Haldenwangs „Fremde Feder“ in der Printausgabe der FAZ vom 2. April (https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/verfassungsschutz-thomas-haldenwang-verteidigt-sich-gegen-kritik-19623960.html) bedarf zwingend einer Replik, denn sie drückt nicht weniger als ein Misstrauensvotum gegen unsere staatliche Ordnung, das Grundgesetz selbst (in Sonderheit die Meinungsfreiheit) und vor allem die Bürger unseres Landes aus.

Steht Deutschland am Scheideweg? Ja, klar! Aber nicht, weil der unverschämte und aufmüpfige Bürger sich seiner eigentlichen Funktion im Staat erinnern würde, nämlich der des Souveräns!

Nein, Deutschland steht am Scheideweg, weil sich die Regierenden gegen die Kritik genau dieses Souveräns immunisieren, geradezu panzern wollen. Legitime und notwendige Kritik an den regierenden Politikern und Parteien durch Bürger und Oppositionsgruppen wird allzu gerne in „Fundamentalkritik am System“ umgedeutet.  Dadurch verliert unser Staat die Fähigkeit zur demokratischen Selbstkontrolle und Kurskorrektur bei Fehlentwicklungen. Und genau DAS ist ein echtes Risko für unseren Staat, nämlich dass die immer schlechteren Politikergebnisse für immer größere Teile unseres Volkes in eine Ablehnung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO) münden könnten. Dass sich die regierende politische Klasse dagegen wappnen will, ist kaum ernsthaft zu kritisieren, die Methoden jedoch sehr wohl. Dass die regierenden Personen und Parteien sich selbst nicht mehr vom Staat und unserer Grundordnung zu unterscheiden vermögen oder wollen, ist mindestens ein Zeichen von Hybris, realistischerweise aber eher ein Zeichen, dass ihnen schlicht die Argumente gegen die Opposition ausgehen! Wäre es anders und das politisch-mediale Establishment tatsächlich in der Lage, eine Oppositionspartei wie die AfD „in der Sache zu stellen“, dann bedürfte es der Bekämpfung der AfD mittels des Verfassungsschutzes gar nicht. Wir wissen, dass es nicht so ist.

Einen Inlandsgeheimdienst braucht jedes Land, das sich ernstnimmt. Ihn „Verfassungsschutz“ zu nennen, ist schon mindestens exaltiert. Aber ihn gegen die politische Opposition einzusetzen, ist einer freiheitlichen, „westlichen“ Demokratie schlicht unwürdig.

Was wäre wohl im deutschen Blätterwald los, wenn die polnische PIS-Regierung oder Orbans Fidesz-Regierung in Ungarn auf eine solche Idee gekommen wäre?

Die einzigen Parteiverbote in der Geschichte der Bundesrepublik gab es in den fünfziger Jahren. Aus gutem Grund, denn damals waren viele Nazi-Netzwerke (die echten, nicht die herbeiphantasierten!) intakt, an der innerdeutschen Grenze stand die Rote Armee und die Gefahr kommunistischer Unterwanderung war greifbar. Die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik war noch nicht geschrieben – ihre Stabilität und demokratische Zukunft somit keineswegs gesichert. Die Plausibilität, nein Notwendigkeit dieser Parteiverbote ist daher kaum zu bestreiten.

Aber ist die Bundesrepublik im Jahre 75 des Grundgesetzes wirklich in ebenso prekärer Lage?

Deutschlands politische Klasse muss sich endlich entscheiden, ob die BRD von heute wirklich das großartigst denkbare Deutschland aller Zeiten ist oder ob es am seidenen Faden hängt und nur durch Haldenwang et al vor dem Untergang bewahrt wird.

De facto will Haldenwang mit seinem FAZ-Gastbeitrag seinen Kreuzzug gegen die AfD legitimieren. Es ist natürlich nicht „sein“ Kreuzzug, sondern der seiner Dienstherrin Bundesinnenministerin Faeser, die schon in der Causa Schönbohm die Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes zutage treten ließ.

Wenn wir die pflichtschuldige Rhetorik und den Theaterdonner beiseite wischen und vor allem die bisherigen Gerichtsurteile betrachten, verbleibt genau ein Vorwurf gegenüber der AfD, der dieses ganzen Potemkin’sche Propaganda-Dorf tragen soll: der „ethnische Volksbegriff“!

Keine politische Gewalt oder deren Rechtfertigung, keine Agitation gegen das Grundgesetz oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung findet sich bei der AfD, aber der vermeintliche „ethnische Volksbegriff“.

Dahinter steht eine juristische Denkfigur – nicht mehr und nicht weniger -, nämlich dass angeblich aus Sicht der AfD bei der Vergabe deutscher Staatsbürgerschaft nicht das Individuum, sondern die ethnische Zugehörigkeit entscheidend sein solle. Ein solches „ethnozentrisches Staatsbürgerschaftsrecht“ würde die Menschenwürde von Einbürgerungswilligen verletzen und stünde daher im Widerspruch zu Art. 1 des Grundgesetzes, so der Vorwurf des „Verfassungsschutzes“, den auch das Verwaltungsgericht Köln mitging.

Eine falsche Meinung zum Staatsbürgerschaftsrecht soll also den Einsatz des Inlandsgeheimdienstes gegenüber der wichtigsten Oppositionspartei (im Gegensatz zur temporär nicht regierenden CDU) rechtfertigen? Echt jetzt?

Wie absurd diese Rechtfertigung ist, wird klar, wenn man das Risiko für Menschenwürdeverletzungen einfach mal zu Ende denkt. Diese beträgt nämlich ganz genau null!

Denn die Grundrechte und das gesamte Grundgesetzt spiegeln die Lehren aus der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wider. Daher sind sie Abwehrrechte gegen autoritäre und totalitäre Herrschaft und binden Staat und Gesellschaft, also die Regierenden und nicht die Opposition. 

Grundgesetz und FDGO sind ja gerade deswegen so phantastisch, weil sie genau diese Machtbegrenzung des Staates leisten und die Grundrechte der Bürger und Menschen allgemein garantieren. Das heißt auch, dass von einer Opposition mit „falschen Meinungen“ niemals eine Gefahr ausgehen kann, denn spätestens wenn sie wirklich an die Macht käme – auch mit absoluter Mehrheit – würde genau diese Bindewirkung des Grundgesetzes menschenwürdeverletzende Gesetzgebung und grundrechtswidriges Regierungshandeln verhindern. Wäre es anders, würde das GG und die FDGO in der alles entscheidenden Frage versagen und dann müsste man diese Diskussion völlig anders führen. Dann wären nämlich Änderungen und Weiterentwicklungen keine „aus Angst um die Demokratie“ zu bekämpfenden Häresien, sondern dringend geboten, um der übergeordneten Zielsetzung gerecht zu werden.

Und als Lehre aus der Corona-Maßnahmen-Krise liegt die Bearbeitung dieser Lerneffekte in der Luft, wie nicht zuletzt immer mehr öffentliche Stellungnahmen über Parteigrenzen hinweg zeigen.

Wenn BfV-Präsident, also Behördenleiter, Haldenwang sich nun anmaßt, die „richtigen Grenzen der Meinungsfreiheit“ zu kennen und diese entsprechend beschneiden zu wollen, ist DAS eine Grenzverletzung, die Geist und Buchstaben des Grundgesetzes massiv zuwiderläuft. Genau gegen derlei Maßnahmen sind die ersten und wichtigsten Artikel des Grundgesetzes gerichtet, auch und gerade Art. 5 zur Meinungsfreiheit. Jegliche Begrenzung dieser und anderer Grundrechte kann in einem freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat immer nur ultima ratio sein. 

Hier und heute scheint die Selbstermächtigung des Verfassungsschutzes nicht nur in die Erfindung neuer Tätigkeitsfelder, wie die Bekämpfung der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“, zu münden, sondern in die Bestimmung guter/schlechter oder gewünschter/ungewünschter Meinungen. Georg Orwell hatte 1948 in seinem überaus luziden Werk „1984“ die passende Bezeichnung geprägt: Gedankenverbrechen.

Diese Begrenzung der durch die Verfassung geschützten Meinungsfreiheit ist ein großes Problem und die wahre Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und nicht etwa eine zu erfolgreiche Opposition. Zu Ende gedacht und in Verbindung mit Vorhaben wie dem Demokratiefördergesetz droht daraus eine Art „Abschaffung der Demokratie im Namen der Demokratie“ zu werden. Und daran ändern auch die Massenproteste aus Anlass der gigantischen Fake-News-Kampagne des politisch-medialen Komplexes auf Basis der „Correctiv-Recherche“ nichts. Es bleibt ein „Haltet den Dieb!“-Manöver.

Was Unfähigkeit und/oder Unwillen zur Selbstkritik und -reflexion angeht, hat Haldenwang bereits zu seiner übergeordneten Führung aufgeschlossen. Er tritt daher konsequent die Flucht nach vorne an, denn ein Zurück kann es für ihn nicht mehr geben.

Früher oder später wird ein Gericht diesem Treiben der Inlandsgeheimdienste ein Ende setzen. „Die Politik“ wird sich dann pflichtschuldig zerknirscht geben und es werden dann auf einmal alle schon immer gewusst haben, dass man die AfD nur politisch bekämpfen kann.

Haldenwang wird das fällige Bauernopfer sein und weich fallen. Um ihn muss man sich keine Sorgen machen, um die Zukunft unseres Landes schon.

V.i.S.d.P.: 

Andreas Lichert, 

Landessprecher